Kantonsrätin Esther Straub im Gespräch

Weshalb kandidierst du für eine zweite Legislaturperiode?

 

Ich möchte an denjenigen Geschäften, die mir wichtig sind, weiterarbeiten, denn es macht mir Freude. In der Rats- und Kommissionsarbeit profitiere ich überdies von meiner langjährigen parlamentarischen Erfahrung. Darauf kann ich aufbauen.

Der Kontakt zur Bevölkerung ist zentral

Du hast dich in einem anderen Interview als überzeugte religiös-soziale Person charakterisiert?

 

Als sozial, demokratisch und pazifistisch engagierte Pfarrerin und Theologin finde ich meine Verankerung und Identität im Gedankengut des religiösen Sozialismus. Die über hundertjährige Geschichte des religiösen Sozialismus von Leonhard und Clara Ragaz über Personen wie Gertrud Woker bis Willy Spieler ist sehr beeindruckend. Diese Geschichte weiterzuführen motiviert mich in meinem Politisieren wie auch als Co-Präsidentin des Herausgebervereins der 112jährigen Monats-Zeitschrift «Neue Wege».

Bringt dir diese klar positionierte Rolle mehr Voroder mehr Nachteile im Parlamentsbetrieb?

 

Ich empfinde meine religiöse Positionierung nicht als Nachteil, im Gegenteil: Gerade jetzt, wo die staatliche Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften diskutiert wird, kann ich als Kantons- und Kirchenrätin Vernetzungsarbeit leisten, beispielsweise bei einem Projekt wie QuaMS (Qualitätssiche- rung muslimischer Seelsorge in öffentlichen Institutionen).

Du warst vorgängig neun Jahre im Gemeinderat. Ist der Parlamentsbetrieb interessanter geworden?

 

Da ich gerne mit Texten arbeite, liegt mir die Legiferierung im Kantonsrat, auch die Materie finde ich spannend. Allerdings lassen die parteipolitischen Verhältnisse wenig Gestaltungsmöglichkeiten offen, sondern beschränken diese oft auf die Abwehr bürgerlicher Begehren. In der Kommission Soziale Sicherheit und Gesundheit (KSSG) ist die Diskussionskultur jedoch von Sachlichkeit geprägt, was nicht selbstverständlich ist. Insgesamt ist der Kantonsrat zeit- und arbeitsintensiver.

In welcher Angelegenheit hast du dich in der aktuellen Legislaturperiode am besten einbringen können?

 

Vor allem im Rahmen von Privatisierungsgeschichten konnte ich mich mit meiner Erfahrung aus der Gemeinderatstätigkeit gut einbringen. Beim Unispital setzten wir ein unselbständiges Baurecht durch; das heisst, das Unispital kann die ihm übertragenen Bauten nicht in eigener Regie weiterverkaufen, wie es der Regierungsrat vorgesehen hatte. Die Umwandlung des Kantonsspitals Winterthur in eine Aktiengesellschaft konnten wir im Rat zwar nicht verhindern, brachten die Vorlage aber in der Volksabstimmung zum Scheitern. In der KSSG stehen nun Geschäfte wie die Totalrevisionen des Einführungsgesetzes zum KVG (individuelle Prämienverbilligungen) und des Sozialhilfegesetzes an, bei denen es um unser fundamentales Anliegen von Verteilungsgerechtigkeit geht.

Auf der Liste der Stadtkreise 6&10 finden sich auf den aussichtsreichsten Positionen alles Personen mit einer akademischen Berufslaufbahn. Welche Vor-, welche Nachteile siehst du in einer Akademisierung der kantonalen SP-Politik?

 

Akademische Bildung an sich beurteile ich nicht als problematisch; nur sollte die Politik nicht vom Schreibtisch aus erfolgen, sondern von der beruflichen und sozialen Alltagserfahrung ausgehen. Dabei ist der Kontakt zur Bevölkerung zentral, den ich in meinem Fall in meiner pfarramtlichen Gemeindearbeit in Schwamendingen pflege. Das sichert eine ausreichende Bodenhaftung.

Die Fragen stellte Werner A. Meier.