Hey Kumpel, seit wann ist die AL für Luxuswohnungen?
Für was haben wir nicht alles gemeinsam gekämpft in den letzten Jahrzehnten – Niggi Scherr und ich. Nur um ein paar wenige Beispiele zu nennen:
- Gegen den Verkauf von städtischem Land
- Für einen Drittel gemeinnützige Wohnungen auf dem Maneggareal
- Für die Initiative für einen Drittel gemeinnützige Wohnungen in Zürich
- Für Zonen für gemeinnützigen Wohnbau im Kanton
- Gegen die indirekte Subventionierung des Immobilienkapitals
- Für 100% gemeinnützige Wohnungen auf dem Neugasse-Areal.
In einigen Fällen kämpfte ich sogar auf der Seite von Niggi gegen die eigene Partei, wie zum Beispiel beim Landverkauf an der Pfingstweidstrasse, wo jetzt ein Hochhaus mit sündhaft teuren Eigentumswohnungen steht.
Nebst dem gemeinsamen Verständnis über die Boden- und Wohnpolitik verband uns immer eines: Wir kämpfen buchstäblich um jeden Quadratmeter Boden zu Gunsten der Gemeinnützigkeit.
Eine weitere Kampflinie teilten wir vehement: Der politische Kampf gegen die sogenannten Public Private Partnership-Projekte, kurz PPPs. Denn wir beide wissen: PPPs bedeuten immer Public Pays Privates Profit (die öffentliche Hand zahlt, Kommerzielle profitieren). Die Logik dahinter ist ja offensichtlich: Warum soll ein kommerzieller Privater denn investieren, wenn nicht für eine satte Rendite. Das haben wir gesehen beim Hallenstadion, als die Stadt mit «alternativen Finanzierungsinstrumenten» alles bezahlte, aber nur einen Bruchteil des Stadioneigentums bekam. Oder bei der Kongresshausvorlage, bei der die Stadt mit hohen à fonds perdu Beiträgen eine 6,3-prozentige Rendite garantieren sollte. Beim ersten Fussballstadion, das mit einer sogenannten Mantelnutzung hätte «finanziert» werden sollen, verlangte die Credit Suisse sogar via intransparente «Defizitgarantie-Mechanismen» eine von der Stadt garantierte Rendite von 6.4%, was den damaligen FDP-Finanzvorsteher Martin Vollenweider zum Ausstieg aus der Stadion-Vorlage mit Mantelnutzung bewog.
Nun ist es in der Politik so, dass man sich gegenseitig kritisieren darf, ja muss. Auch innerhalb der eigenen Partei oder zwischen befreundeten Parteien. Und gerade Kritik von Dir an der SP habe ich meist nicht nur verstanden, sondern sogar oft geteilt. Aber für einmal lässt mich Deine Kritik besonders ratlos, weil es hier beim Projekt Ensemble um unseren Kampf gegen unsägliche PPP-Projekte und renditeorientierte Luxuswohnungen auf städtischem Land geht. Und auch um ein Fussballstadion, das bei einem Ja zum Projekt Ensemble wahrscheinlich nie realisiert werden kann.
Aber gehen wir der Reihe nach zu den Vorwürfen:
Du wirfst uns vor, unsere Initiative für ein öffentlich finanziertes Fussballstadion sei unredlich, irreführend und wohl auch gesetzeswidrig, kurz handwerklicher Pfusch.
Wir würden hochgesteckte Erwartungen schüren und mit unserer Initiative suggerieren, es gäbe das gleiche Stadion, nur öffentlich finanziert und ohne Hochhäuser, dafür mit gleich vielen gemeinnützigen Wohnungen. Es sei aber völlig offen, ob es überhaupt gemeinnützige Wohnungen gäbe, denn das stünde nirgends in der Initiative.
Ehm – mit Verlaub: Wir suggerieren gar nichts. Es ist jedem klar, dass ohne 137m-Hochhäuser etwas weniger Wohnungen entstehen. Und wenn wir schon dabei sind: Wir brauchen moderne Altstädte, denn diese haben eine so hohe Dichte, dass man ähnlich viel Nutzfläche hinbekäme. Der Weg für so eine innovative Bebauung wäre bei einem Nein am 25. November offen. Und es ist seit Jahrzehnten gängige Praxis und klarer Volkswille, dass städtische Areale immer und ausschliesslich im Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger gehen. Das müssen wir in unserer Initiative nicht erwähnen, denn das ist sonnenklar. (Von uns aus kann auch die Baugenossenschaft ABZ umgehend ihr geplantes Projekt auf dem Baufeld A realisieren.)
Wir würden kaschieren, dass es weniger Wohnungen wegen Autobahnlärm gäbe.
- Das gleiche Lärm-Problem hat auch das Projekt Ensemble.
- Niemand hat behauptet, es gäbe genau gleich viele Wohnungen, und niemand hat behauptet, es gäbe nur Wohnungen – aber wenigstens gäbe es Wohnungen, die sich die Bevölkerung auch leisten kann. Und wenn in den unteren Etagen auch noch gemeinnützige Büro- und Gewerbe-Flächen entstehen – umso besser!
- Verschiedene Siedlungen in der Stadt Zürich zeigen, dass gute Projekte auch an lärmexponierten Lagen wie beispielsweise am Bucheggplatz möglich sind.
Allerhand ist der Vorwurf, dass nicht gleich viele Wohnungen entstünden. Seit wann interessierst ausgerechnet Du dich für die Menge statt für die Qualität respektive die Gemeinnützigkeit der Wohnungen und Gewerbeflächen. Ausgerechnet Du Niggi, der Du Dich seit Jahrzehnten gegen aufgeblasene Rendite-Projekte wehrst: HB-Südwest/Eurogate, Europa-Allee – schon vergessen? Seit wann, lieber Niggi, bist denn Du für eine riesige Menge an teuren renditeorientierten Luxuswohnungen statt vielleicht etwas weniger aber dafür gemeinnützige Wohnungen? Wir haben beide (leider vergeblich) gegen das seelenlose Immodorado in Zürich West gekämpft, das der Stadt Milliarden-Investitionen aufbürdete und den meist börsenkotierten Immobilienbesitzern Traumrenditen bescherte – und den Mieterinnen Horrormieten und den Wohneigentümern viel zu teure Wohnungen. Und jetzt soll es noch mehr davon geben? Nein, das Projekt Ensemble ist und bleibt eine Fortsetzung dieser unverzeihlichen Stadtentwicklung.
Unsere Initiative sei eine unrealistische Abstimmungs-Wiederholung.
Vor 5 Jahren haben wir über ein öffentlich finanziertes Stadion abgestimmt. Und mit 50.8% Nein-Stimmen äusserst knapp verloren – man könnte von einem Zufallsmehr reden. Aber erstens fordern wir nicht genau das Gleiche wie damals, weil ein Teil der wiederkehrenden Betriebskosten (von maximal 8.3 Millionen Franken jährlich) an das Stadion diesmal fehlt, was damals auch der Stein des Anstosses war. Zweitens wurde vor der verlorenen Abstimmung versprochen, dass ein privater Investor ein Stadion ohne Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bauen kann. Wir wissen beide, dass dies niemals der Fall sein wird. Mit dieser Mogelpackungs-Vorlage namens «Ensemble» weiss es jetzt auch die Bevölkerung.
Zudem bleibt uns nur der Weg einer Initiative. Anders als im Kanton und Bund können wir bei solchen Projekten keinen Gegenvorschlag machen. Eigentlich können wir im Parlament nur mit der Faust im Sack Ja oder Nein zu dieser Vorlage sagen, was diesen Prozess zu einem demokratischen Unding macht – an dem wir uns beide in der Vergangenheit so oft die Zähne ausgebissen haben. Die SP hatte ja versucht, mit einem qualifizierten Rückweisungsantrag (der vermutlich eine Neuausschreibung des Projektes erfordert hätte), die Hochhäuser juristisch und finanziell vom Projekt abzutrennen. Dieser Vorschlag scheiterte wegen Euch. Darum müssen und wollen wir Zürich mit einer Initiative eine echte Alternative zum misslungenen Projekt Ensemble bieten. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als eine Alternativ-Idee in Form einer Volksinitiative zu lancieren, wenn man – wie wir – tatsächlich ein Stadion will, das aber auch tatsächlich gebaut werden kann, das billiger ist und erst noch 100% gemeinnützige Wohnungen beinhaltet.
Und ganz allgemein gesprochen: Würde man die Bevölkerung nicht periodisch das Gleiche (oder fast das Gleiche) fragen dürfen, hätten wir keine AHV, kein Frauenstimmrecht, keinen Uno-Beitritt…Es ist in einem direktdemokratischen System also üblich, das zu tun.
Unredlich seien wir, denn wir würden die Landkosten und die Kosten für die Altlastensanierung einfach ausklammern.
Es geht aus unserem Initiativtext ganz klar hervor, dass zu den Stadion-Baukosten von 130 Millionen auch noch die Kosten für die Altlastensanierung und für die Übertragung des Landes vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen hinzukommen. Aus diesem Grund gibt es auch keine juristischen Fragwürdigkeiten, wie uns von verschiedenen Juristen bestätigt wurde.
Klar ist aber auch: Bei der Ensemble-Vorlage kommen ebenfalls Kosten für die Landübertragung und Altlastensanierungen dazu. Wenn die Bevölkerung über unsere Initiative abstimmen wird, wird sie ganz genau wissen, wie viel es kostet – im grossen Unterschied zum Projekt Ensemble. Bei der Mogelpackung, über die wir im November abstimmen, verspricht man der Bevölkerung ein «Gratis-Stadion». Von wegen! Mit der Subvention des Baurechtszinses schenkt man der Credit Suisse jedes Jahr 1.7 Millionen Franken. Das sind über die Laufzeit von 92 Jahren und bei einem Zins von 1% satte 260 Millionen Franken Einnahmeverzicht. Und beim Heimfall muss man die Credit Suisse nach Berechnungen des Stadtrates mit 1.338 Milliarden Franken entschädigen – also mit mehr als einer Milliarde!
Kommt noch dazu, dass die Übertragung des Landes in Höhe von Rund 40 Millionen Franken vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen zwar finanzrechtlich als Ausgabe gilt, aber wir das Land schon längst gekauft haben – und darum real kein Rappen fliesst. Der Wert des Volksvermögens bleibt somit identisch.
Unter dem Titel «Wünsch-dir-was-Paragraf» wirfst Du uns vor, dass wir angeblich vorgaukeln, ein städtisches Stadion wäre ohne jährliche Betriebsbeiträge möglich. Dem sei aber nicht so.
Es ist zwar unwahrscheinlich, aber Du magst sogar Recht haben, dass der Betrieb des Stadions ohne öffentliche Beiträge nicht möglich ist. Das gilt aber gleichermassen und sogar noch mehr für das Projekt Ensemble. Unsere Initiative kostet jedoch die beiden Clubs im Vergleich zum Projekt Ensemble je 10 Millionen Franken weniger. Die entsprechenden Kapitalkosten können sie bei unserer Variante dann für den Betrieb ausgeben.
Du schreibst: „Als Linke und aufgeklärte Konsument*innen sind wir es allerdings gewohnt, uns gegen Lockvogelangebote und versteckte Klauseln im Kleingedruckten zu wehren, mit denen man uns über den Tisch ziehen will.“
Wie Recht Du hast! Ich nehme an, Du sprichst vom Projekt Ensemble, in dem uns ein «Gratis-Stadion» vorgegaukelt wird, aber im Kleingedruckten für die Steuerzahler (beim Heimfall 1.338 Milliarden, beim Einnahmeverzicht 260 Millionen Franken) und Mieter (diese zahlen über die Laufzeit mindestens 6 Milliarden) Milliardenkosten entstehen.
All das lässt mich etwas ratlos zurück. Es ist doch unsere konstante gemeinsame Politik, dass wir für das Prinzip der Gemeinnützigkeit auf unserem Boden kämpfen. Es ist doch für uns beide gleichermassen unerträglich, dass Luxuswohnungen für 4000 Franken entstehen sollen, mit einer missbräuchlichen und damit illegalen Rendite von 5.7%. Gilt euer Wahlkampfversprechen vom Frühling 2018 denn schon nichts mehr? Hey Kumpel, ich verstehe dich echt nicht: Seit wann verteidigst Du seelenlose Luxuswohnungen auf unserem städtischen Land? Ich für meinen Teil werde am 25. November NEIN stimmen. Und Du doch auch?