Emil Acklin: Fotografie als Klassenkampf

Vorschau: Kultur-MV vom Samstag 15. Dezember 2018 um 16 Uhr im Stadtarchiv Zürich. Nicola Behrens und André Werner führen uns durch die Ausstellung und beantworten nachfolgend einige Fragen zum gesellschaftlichen Kontext in der Zwischenkriegszeit. Die Fragen stellte Werner A. Meier.

Warum eignet sich diese Foto-Ausstellung ganz besonders für unsere Kultur-MV?

Vor 100 Jahren erlebte die Schweiz mit dem Landesstreik eine grosse Krise, welche die Gesellschaft tief spaltete. Der Landesstreik führte dazu, dass die Sozialdemokratie ins politische System einbezogen wurde. 1919 wurde Emil Klöti, der spätere Stadtpräsident von Zürich, als erster Sozialdemokrat zum Nationalratspräsidenten gewählt. Man konsultierte die Sozialdemokraten künftig bei Gesetzesvorhaben. Und in den 1930er Jahren fand ein Schulterschluss der Demokraten gegen die Feinde der Demokratie auch gegen rechts statt, der zur Teilnahme der Sozialdemokraten im Bundesrat führte.

Emil Acklin war auch zur Zeit des Landesstreiks tätig. Er gehörte zu einer der Gruppierungen, die damals radikale Positionen vertraten und später die Kommunistische Partei mitgründeten. Er war wahrscheinlich ein Idealist und hat für sein Engagement schwere persönliche Nachteile in Kauf genommen. Ein Schicksal, wie jenes von Emil Acklin gehört auch ins Gesamtbild des Landesstreiks.

 

 

Was fasziniert Euch an den Bildern des „Arbeiterfotografs“ Emil Acklin?

Er hat es in seinen besten Bildern gekonnt verstanden, die soziale und politische Realität mit einer kunstvollen fotografischen Darstellung zu verbinden. Und er schaffte es, eine lebendige Beziehung zwischen dem Fotografen und den fotografierten Personen herzustellen. Seine Arbeitsbilder wirken nicht gestellt, auch wenn sich die Abgebildeten in der Regel der Anwesenheit des Fotografen bewusst sein mussten. Es gelang ihm, die Würde der Berufsleute und ihren Stolz auf ihre Arbeit einzufangen.

 

Was bringt Acklin mit seinen Bildern vor allen zum Ausdruck?

Seine Bilder zeigen uns heute, wie weit weg wir von der Armut der Vorkriegszeit sind. Das Leben in Aussersihl war hart und man musste tagtäglich ums Überleben kämpfen. Das zeigen seine Bildern. Viele suchten ihr Glück in der Ferne, also in Amerika oder Russland. Das ist nachvollziehbar genauso wie der Wunsch vieler Migrantinnen und Migranten, die sich heute in der Schweiz ein besseres Leben erhoffen.