«Der Mindestlohn-Kompromiss ist das einzig Richtige für Zürich.»

Am 18. Juni stimmt die Stadt Zürich über den «Mindestlohn-Kompromiss» ab. Der Zürcher Unternehmer Camilo Antezana und SP-Nationalrätin und Unternehmerin Jacqueline Badran erklären im Gespräch, weshalb ein Mindestlohn von 4'000 Franken auf 100 % für Tieflohnbetroffene in der Reinigung, im Detailhandel und bei Fast-Food-Ketten sinnvoll ist.
Unternehmer Camilo Antezana und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran.
Unternehmer Camilo Antezana und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran.

Herr Antezana, Sie sind Co-Geschäftsführer der bekannten Marke Vivi Kola. Weshalb sind Sie für den Mindestlohn-Kompromiss?

Camilo Antezana: Als Unternehmer bei einem Zürcher KMU ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass alle Angestellten genug verdienen sollen, um sich das Leben in der Stadt Zürich leisten zu können. Entsprechend erfüllen wir den geforderten Mindestlohn von 23.90 Franken pro Stunde bereits.

Für die Betroffenen macht es einen grossen Unterschied, ob sie 18 oder 23.90 Franken pro Stunde verdienen.

Frau Badran, weshalb braucht es überhaupt einen Mindestlohn in Zürich?

Jacqueline Badran: Bei vielen Reinigungsunternehmen, im Verkauf bei globalen Modelabels, bei Fast-Food-Ketten und Lieferdiensten werden heute teilweise noch absolute Tieflöhne bezahlt. Die Angestellten schuften für 18 Franken pro Stunde, müssen auf Abruf arbeiten und brauchen mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen. Das kann doch nicht sein!

Camilo Antezana: Wir hören immer wieder von grossen Firmen, die es ausnutzen, dass es keinen Mindestlohn gibt. Für uns als KMU ist es schwierig, wenn uns die Grossen mit tieferen Preisen konkurrenzieren, indem sie zu tiefe Löhne zahlen. Ich denke, es geht hier aber auch um Fairness und Wertschätzung gegenüber denjenigen Mitarbeitenden, welche tendenziell wenig verdienen, jedoch oft sehr hart arbeiten.

 

Die Gegner behaupten, ein Mindestlohn helfe nicht dabei, die Armut zu bekämpfen…

Jacqueline Badran: Was für ein Unsinn. Man muss nicht Mathe studiert haben, um zu merken, dass es für eine Verkäuferin einen grossen Unterschied macht, ob sie 18 oder 23.90 pro Stunde verdient. Rund 17’000 Beschäftigte verdienen heute in Zürich auf 100 % weniger als 4’000 Franken pro Monat.

Die Kantone Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, Jura und Tessin haben bereits einen Mindestlohn.

Camilo Antezana: Es gibt viele Studien zur Wirkung von Mindestlöhnen. Interessant finde ich eine wissenschaftliche Untersuchung der Uni Neuenburg. Die Studie zeigt, dass der Mindestlohn im Kanton Neuenburg dazu geführt hat, dass die Tieflohnbetroffenen mehr verdienen. So steigt die Kaufkraft, die Leute haben also mehr Geld, das wieder beim lokalen Gewerbe ausgegeben wird.

 

Was zeigen die Studien zu den wirtschaftlichen Auswirkungen?

Camilo Antezana: Die Studie in Neuenburg kam zum Schluss, dass der Mindestlohn nur minimale Auswirkungen auf die Beschäftigung hatte. Denn obwohl oft behauptet wird, Mindestlöhne würden der Wirtschaft schaden, bestätigen wissenschaftliche Studien das nicht. Das sieht man ja auch in den Kantonen Basel-Stadt, Genf, Jura und Tessin, die ebenfalls bereits einen Mindestlohn eingeführt haben.

 

Was sagen Sie zur Behauptung, der Mindestlohn schade der Sozialpartnerschaft?

Jacqueline Badran: Ich finde das frech. Es sind dieselben Arbeitgeber, die die Verhandlungen mit den Gewerkschaften um höhere Löhne und bessere GAVs blockieren, die sich jetzt als die grossen Retter der Sozialpartnerschaft aufspielen. Zudem sind Mindestlöhne im Interesse der Arbeitgeber, weil sie gleich lange Spiesse für alle schaffen. Der, der anständige Löhne zahlt, kann nicht mehr von den Unanständigen durch Lohndumping konkurrenziert werden.

 

Warum spricht man in Zürich vom «Mindestlohn-Kompromiss»?

Jacqueline Badran: Der Gegenvorschlag zur Initiative «Ein Lohn zum Leben», der jetzt zur Abstimmung kommt, ist ein gut-schweizerischer Kompromiss zwischen den Gewerkschaften und der Mitte-Partei. Im Gemeinderat wurden einige Ausnahmen eingebaut, damit die Vorlage am Schluss von einer breiten Koalition von SP, Grünen, Mitte/EVP und AL verabschiedet werden konnte.